Karin Rehn-Kaufmann zu Gast bei Michel Birnbacher

Karin Rehn-Kaufmann, Art Director und Chief Representative Leica Galleries International, führte 2025 durch ein beispielloses Jubiläumsprogramm. Die Weltreise zu 100 Jahren Kleinbildfotografie führte durch sechs Länder, wobei jede Destination ihren eigenen Charakter entwickelte.

Die 5 wichtigsten Informationen im Überblick:

  1. Weltweite Jubiläumsfeier: Leica feierte 2025 mit einer spektakulären Tour durch 6 Länder – von Dubai bis Tokio, inklusive Projektionen auf Burj Khalifa und Times Square
  2. 45 Jahre LOBA: Der Leica Oskar Barnack Award bleibt seit 1979 seinem Thema “Mensch in Beziehung zur Umwelt” treu – einzigartig in der Wettbewerbslandschaft
  3. Neue Kategorie: Der Leica Women Photo Award wird 2024 international und als Grant ausgeschrieben (10.000€ + Mentoring)
  4. Starke Community: 120 internationale Nominatoren aus 50 Ländern zeigen die globale Vernetzung der Leica-Fotografie-Gemeinschaft
  5. Gewinner-Verkündung: Am 9. Oktober 2024 werden erstmals alle LOBA-Gewinner der 45 Jahre zur Preisverleihung eingeladen

Das außergewöhnliche Jubiläumsjahr

Karin Rehn-Kaufmann, Art Director und Chief Representative Leica Galleries International, führte 2025 durch ein beispielloses Jubiläumsprogramm. Die Weltreise zu 100 Jahren Kleinbildfotografie führte durch sechs Länder, wobei jede Destination ihren eigenen Charakter entwickelte.

In Dubai fand die Eröffnung in der Oper statt – elegant und der Kultur des Landes entsprechend. New York hingegen sperrte einen ganzen Straßenblock und brachte die Feier direkt zu den Menschen. Tausende Besucher erlebten ein “kleines Ernst-Leitz-Museum” auf der Straße, komplett mit der begehrten Leica I26, für die Menschen anstanden.

Shanghai übertraf alle Erwartungen: Ein 100 Jahre altes Postmuseum am Bund wurde in nur drei Tagen komplett umgestaltet. 130 Bilder von etwa 30 chinesischen Fotografen wurden gezeigt, ergänzt durch einen LFI-Room mit 60 Covern. Das Highlight: Tänzer interpretierten vier ikonische Fotografien – von Marc Riboud’s Malersprung über Eisenstädt’s Kuss bis zu Steve McCurry’s kämpfende Mönche.

Die Kraft der internationalen Gemeinschaft

Was alle Veranstaltungen verband, war die außergewöhnliche Empathie und Dankbarkeit der weltweiten Leica-Community. Trotz unterschiedlicher politischer Ansichten, Religionen und Kulturen eint alle die Leidenschaft für die Fotografie. Diese Gemeinschaft reicht von der Leica Society International über lokale Clubs in China und Japan bis hin zum Leica-Chor der Mitarbeiter in Wetzlar.

Das Wetzlarer Event selbst war emotional überwältigend: 600 Menschen füllten den Dom für ein Konzert mit Jugendorchester und Leica-Chor. 750 Gäste feierten später in der Ritterhalle unter 5 Meter hohen, auf Stoff gedruckten Fotografien.

45 Jahre LOBA – Konstanz in bewegten Zeiten

Der Leica Oskar Barnack Award, 1979 zum 100. Geburtstag Oskar Barnacks gegründet, ist bemerkenswert konstant geblieben. Als einer der wenigen Wettbewerbe weltweit behält er seit 45 Jahren dasselbe Thema bei: “Der Mensch in Beziehung zu seiner Umwelt”. Diese Beständigkeit ist in der schnelllebigen Fotografiewelt einzigartig.

Das Format fordert 15-20 Bilder als geschlossene Serie – eine anspruchsvolle Aufgabe. Viele Fotografen scheitern daran, dass sie zwar 7-8 exzellente Bilder haben, aber den Rest nur zum Auffüllen hinzufügen. Die Jury erkennt sofort, ob eine Serie wirklich durchdacht ist oder nur zusammengestellt wurde.

Innovation: Der internationale Leica Women Photo Award

Eine bedeutende Neuerung 2024: Der bisher auf die USA beschränkte Leica Women Photo Award wird international und als Grant ausgeschrieben. Anders als die nominierten Kategorien können sich Fotografinnen direkt bewerben. Neben 10.000 Euro und einer Leica Q erhalten Gewinnerinnen persönliches Mentoring zur optimalen Umsetzung ihrer Projekte.

Der anspruchsvolle Jury-Prozess

Karin Rehn-Kaufmann ist seit 2011 die einzige Konstante in der LOBA-Jury. Ihr wichtigster Grundsatz: Erst die Bilder betrachten, dann den Text lesen. Wenn eine Serie visuell nicht funktioniert, kann auch der beste Text nicht helfen.

Die finale Jury tagt grundsätzlich in Präsenz – ein wichtiger Unterschied zu vielen anderen Wettbewerben. Der persönliche Austausch ermöglicht intensive Diskussionen und erweitert die Perspektive jedes Jury-Mitglieds. 2023 führte dies sogar dazu, dass nach stundenlanger Debatte der bereits gewählte Gewinner noch einmal geändert wurde – ein Zeichen für die ernsthafte Verantwortung gegenüber den Teilnehmern.

Ausblick und gesellschaftliche Verantwortung

Am 9. Oktober 2024 werden die Gewinner bekannt gegeben – erstmals in Anwesenheit aller ehemaligen LOBA-Gewinner der 45 Jahre. Die Ausstellung startet im Ernst-Leitz-Museum und wandert dann durch die 28 internationalen Leica Galerien.

Ein kritischer Punkt: Die aktuelle Shortlist ist stark von negativen Themen geprägt – Krieg, Umweltkatastrophen, soziale Probleme. Während diese wichtige gesellschaftliche Realitäten abbilden, wünscht sich die Jury mehr lösungsorientierte, positive Fotografie, die zeigt, wie aus Problemen Chancen entstehen können.

Mehr als Marketing – eine Philosophie

Leica investiert bewusst in Kunst und Kultur, weit über das hinaus, was durch Galerienverkäufe refinanziert werden kann. Diese Quersubventionierung ist Teil der Markenphilosophie: Nicht nur Kameras zu produzieren, sondern die Fotografie als Kunstform zu fördern. Die 28 internationalen Galerien, der LOBA und Projekte wie der unabhängige Dokumentarfilm über 100 Jahre Leica (mit möglicherweise Sebastião Salgados letztem Interview) zeigen diese Verpflichtung.

Das Ergebnis: Eine weltweite Gemeinschaft, die über das reine Produkt hinausgeht und die Fotografie als verbindendes Element zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft und Überzeugung feiert.

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